VwGH zur Verzinsung von Umsatzsteueransprüchen

Der EuGH beschäftigte sich im Mai 2021 mit der Frage ob Umsatzsteuerrückforderungen, die vom Finanzamt erst nach Durchführung von Prüfungsmaßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt anerkannt werden, der Verzinsung unterliegen. Dabei wurde entschieden, dass Unternehmer jedenfalls Anspruch auf die Verzinsung von Umsatzsteuerguthaben haben, wenn nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet wurde.

In seiner Nachfolgeentscheidung vom 30.06.2021 (Ro 2017/15/0035-9) verweist der VwGH auf den Grundsatz des Unionsrechtes betreffend das Recht auf Erstattung der Vorsteuer innerhalb angemessener Frist. Der VwGH hat alles zu unternehmen, um die volle Wirksamkeit dieser unionsrechtlichen Verpflichtung durch eine unionsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts sicherzustellen. Weder das österreichische materielle Abgabenrecht noch das österreichische Abgabenverfahrensrecht sehen eine allgemeine Verzinsung von Abgabenschulden oder Abgabengutschriften vor. Allerdings enthält die BAO für mehrere konkret definierte Tatbestände sehr wohl Zinsfolgen. In diesem Zusammenhang verweist der VwGH auf die Bestimmungen für Anspruchszinsen (§ 205 BAO), Beschwerdezinsen (§ 205a BAO) sowie Aussetzungszinsen (§ 212a BAO). Aufgrund der beantragten Zinsen von Umsatzsteuer-Ansprüchen erlauben diese Vorschriften eine Rechtsanalogie zur Auflösung des derzeit bestehenden Normenkonflikts zwischen nationalem Recht und (nicht unmittelbar anwendbarem) Unionsrecht. In entsprechender Anwendung des diesen Bestimmungen zu Grunde liegenden Regelungsprinzips besteht der vom Revisionswerber geltend gemachte Zinsenanspruch zu Recht. Folglich ist der Zinssatz von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auch in Fällen der Verzinsung von Umsatzsteuer-Ansprüchen heranzuziehen. Bezüglich der Fragen des genauen Beginns eines solchen Zinsenlaufs ist nach Ansicht des VwGH mangels gesetzlicher Regelung eine einzelfallbezogene Prüfung notwendig.

Praxisfolgen

Bislang können österreichische Steuerpflichtige nur dann Zinsen im Bereich der Umsatzsteuer beantragen, soweit eine bereits entrichtete Abgabenschuldigkeit im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens herabgesetzt wird. Mit dieser Nachfolgeentscheidung werden die Möglichkeiten der Verzinsung von Umsatzsteuerrückforderungsansprüchen wesentlich erweitert. Die Rechtsprechung ist allgemein auf Fälle übertragbar, bei denen einem Steuerpflichtigen ein Anspruch auf Umsatzsteuerrückforderung zusteht, bei welchen es jedoch durch die Finanzverwaltung zu Verzögerungen bei der tatsächlichen Rückerstattung kommt. Folglich sollten Steuerpflichtige prüfen, ob solche Fälle in ihrem Unternehmen bestehen und einen Antrag auf Verzinsung der Umsatzsteuerrückforderung an das Finanzamt stellen.

Abzuwarten bleibt selbstverständlich noch die zu erwartende Reaktion Gesetzgebers.