VwGH zur Umsatzsteuerbefreiung von nicht zertifizierten privaten Sprachschulen für Kinder und Jugendliche

Der VwGH hatte im Zuge einer Revision zu entscheiden, ob sich eine private Sprachschule für Kinder und Jugendliche auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 6 Abs 1 Z 11 lit a UStG berufen kann, obwohl keine entsprechende Zertifizierung für private Bildungsleistungen von Kindern und Jugendlichen vorlag. Diese wird in der Umsatzsteuerbildungsleistungsverordnung (USt-BLV) grundsätzlich gefordert, damit die Steuerbefreiung angewendet werden kann.

Die mitbeteiligte Partei betreibt eine Sprachschule, die Babys, Kindern und Jugendlichen Englisch als Fremdsprache beibringt. Da es keine Zertifizierungsmöglichkeit für private Bildungsleistungen für Kindern und Jugendlichen in Österreich gibt, sollte nach Auffassung der Sprachschule auf das Erfordernis einer Zertifizierung iSd USt-BLV verzichtet werden. Daher behandelte sie die Umsätze umsatzsteuerfrei.

Das Finanzamt folgte dieser Ansicht nicht und behandelte die Umsätze als steuerpflichtig. Das BFG hingegen verwies auf den Grundsatz der umsatzsteuerlichen Neutralität und betonte, dass sich die Partei mangels Zertifizierungsstelle in Österreich unmittelbar auf die Befreiungsbestimmung nach Art 132 Abs 1 lit a sublit i MwStSystRL berufen kann, die keine Zertifizierung vorsieht.

Der VwGH befand die Revision für zulässig. Nach § 6 Abs 1 Z 11 lit a UStG sind Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemein- oder berufsbildenden Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Zielsetzung verfolgt wird. Nach Rechtsprechung des EuGH ist es Sache des nationalen Rechts die Regeln aufzustellen, nach denen den betreffenden Einrichtungen eine Anerkennung als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung gewährt werden kann. Entscheidend für den VwGH ist, dass die private Bildungseinrichtung in ihrem Tätigkeitsfeld ein Qualitätsniveau nachweisen kann, das dem für zertifizierte Erwachsenenbildungseinrichtungen (als primären Referenzpunkt der USt-BLV) entspricht. Damit die mitbeteiligte Partei somit die Befreiungsbestimmung für ihre Tätigkeiten in Anspruch nehmen kann, müsste sie ein vergleichbares Qualitätsniveau auf dem Gebiet
der Kinder- und Jugendbildung nachweisen.

Nach Ansicht des VwGH geht die abgeleitete Umsatzsteuerbefreiung des BFG fehl, da es diese unabhängig vom Nachweis einer Zertifizierung angenommen habe. Es wurde nicht geprüft, ob es europaweit Zertifizierungen für Kinderbildungseinrichtungen gibt und eine solche beigebracht werden könnte. Im Ergebnis steht somit nicht fest, dass die erforderliche Zertifizierung für die Mitbeteiligte gar nicht erreichbar gewesen wäre. Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen den umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz vor, da sämtliche Betreiber privater Sprachschulen für Kinder in einer ähnlichen Situation sind und insofern keine Gefahr einer Wettbewerbsbeeinträchtigung besteht.

Das BFG wird daher neuerlich im fortgesetzten Verfahren zu darüber entscheiden müssen.

Praxisfolgen

Der VwGH bestätigt in seinem Urteil, dass das österreichische System zur Anerkennung privater Bildungseinrichtungen gemäß USt-BLV, welches eine unabhängige Zertifizierung für staatliche Anerkennung voraussetzt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Dieses System sichert ein angemessenes Qualitätsniveau und dessen regelmäßige Überprüfung, auch für Bildungsangebote, die nicht von den in der USt-BLV spezifisch aufgeführten und gesetzlich definierten Bildungseinrichtungen stammen. Insbesondere stellt der VwGH darauf ab, ob es in anderen Ländern entsprechende Zertifizierungsmöglichkeiten für derartige Sprachschulen für Kinder und Jugendliche gibt.

Es darf jedoch bezweifelt werden, dass eine rein in Österreich tätige Bildungseinrichtung eine Zertifizierung in einem anderen Land erhalten kann. Fraglich wird daher insbesondere sein, ob die Steuerbefreiung dennoch anwendbar ist, wenn auch keine ausländische Zertifizierung vorgewiesen werden kann. Dem Wortlaut der USt-BLV müsste in einem derartigen Fall die Steuerbefreiung versagt werden. Ob auch dies mit Unionsrecht vereinbar ist, darf bezweifelt werden. Zumindest müsste in derartige Fällen eine alternative Möglichkeit bestehen, nachzuweisen, dass die Bildungseinrichtung ein angemessenes Qualitätsniveau bietet (zB mittels Gutachten) und aufrecht erhält (zB über freiwillige Audits).