EuGH zur Umsatzsteuerschuld kraft Rechnungsstellung

Der EuGH hat am 8. Dezember 2022 entschieden, dass ein Mehrwertsteuerbetrag vom Steuerpflichtigen nicht geschuldet wird, selbst wenn dieser unrichtig in der Rechnung ausgewiesen wird, sofern es sich bei den Endverbrauchern um nicht Vorsteuerabzugsberechtigte handelt.

Im Sachverhalt geht um die Besitzerin eines Indoor-Spielplatzes, die ihre Dienstleistungen mit einem Mehrwertsteuersatz von 20% erbrachte, welche korrekt jedoch einem Steuersatz von 13 % unterliegen. Nachdem die Besitzerin dies festgestellt hatte, berichtigte sie ihre Mehrwertsteuererklärung, um die zu viel bezahlte Mehrwertsteuer vom Finanzamt gutgeschrieben zu bekommen. Das Finanzamt verweigerte jedoch die Berichtigung mit der Begründung, dass die Unternehmerin zum einen nach nationalem Recht verpflichtet sei, die höhere Mehrwertsteuer zu entrichten, da sie die Rechnungen (mit zu hoch ausgewiesener Umsatzsteuer) nicht berichtigt habe. Zum anderen würde ihr im Fall der Rückerstattung eine ungerechtfertigte Bereicherung zugutekommen, da tatsächlich ihre Kunden die Kosten der höheren Mehrwertsteuer getragen hätten. Die Besitzerin erhob gegen diesen Bescheid des Finanzamts Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Das Bundesfinanzgericht beschloss, das Verfahren auszusetzen und legte folgende Fragen dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vor:

  • Wird die Mehrwertsteuer vom Aussteller einer Rechnung gemäß Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie geschuldet, wenn – wie in einem Fall wie diesem – keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegen kann, weil die Leistungsempfänger der Dienstleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher sind?

 

Der EuGH führt zunächst aus, dass der Zweck des Art 203 MwSt-RL darin bestehe, eine Gefährdung des Steueraufkommens zu beseitigen, wenn in einer Rechnung Umsatzsteuer ausgewiesen werde, die gar nicht geschuldet wird. Eine Gefährdung des Steueraufkommens kann jedoch nicht vorliegen, wenn die Rechnungsempfänger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher sind.

Dementsprechend beantwortet der EuGH die Vorlagefrage dahingehend, dass ein Steuerpflichtiger, der eine Dienstleistung erbracht hat und in seiner Rechnung einen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen hat, der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet wurde, diesen zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht schuldet, sofern diese Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind und deshalb keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt. 

Praxisfolgen

In der Praxis war die Berichtigung von Rechnungen an Endverbraucher, in denen Umsatzsteuer zu hoch ausgewiesen wurde, bislang schwierig. Insbesondere in Bereichen, in denen ein Vielzahl an Belegen an nicht bekannte Verbraucher ausgestellt wurden, bspw Handels- oder Diensleistungsbetriebe mit hoher Kundenfrequenz, in denen üblicherweise Kassebelege ausgehändigt werden (Einzelhandel, Kinobetreiber oder – wie im Anlassfall – Spielplatzbetreiber). Selbst bei bekannten Abnehmer ist die Berichtigung aber oft in der Praxis mit derart hohen Kosten verbunden, dass diese nicht rentabel ist (zB im Versandhandel).

Das vorliegende EuGH-Urteil eröffnet nun neue Möglichkeiten, um in derartigen Fällen, doch eine zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer zurückfordern zu können. Dies hängt wesentlich vom Status des Rechnungsempfängers ab: Ist dieser ein Nichtunternehmer kann nach Auffassung des EuGH mangels Vorsteuerabzugsberechtigung nämlich keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegen. Wo aber keine Gefährdung besteht, geht die Regelung über die Steuerschuld kraft Rechnungsstellung ins Leere, da damit gerade eine derartige Gefährdung verhindert werden soll.

Nichtsdestotrotz kann dieses Urteil nicht zu einer pauschalen Berichtigungswelle führen, da nach wie vor auch § 239a BAO zu beachten ist. Demnach darf keine Gutschrift erfolgen, wenn die Steuer wirtschaftlich von einem Dritten getragen wird und der Steuerpflichtige dadurch ungerechtfertigt bereichert wird. Dies wird in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten bereiten, kann aber bspw in Bereich mit hohem Preisdruck durchaus der Fall sein.

Ein Beispiel wären Bereiche, in denen sich die Preisfindung an Bruttopreisen orientiert, die Konsumenten gerade noch bereit sind zu bezahlen. Würde ein höherer Steuersatz an Konsumenten weitergegeben werden, würden diese das Produkt nicht mehr kaufen oder zu einem Konkurrenzunternehmen wechseln. Die Anwendung eines höheren Steuersatzes würde daher zu Lasten der Marge des Anbieters gehen. Eine ungerechtfertigte Bereicherung kann in einem derartigen Fall somit nicht vorliegen, da ein Anbieter bei Anwendung eines zu hohen Steuersatz schlechter gestellt werden würde als ein Konkurrenzunternehmen, welches den richtigen Steuersatz anwendet.