EuGH zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Kurtaxen

Die Klägerin Fall ist im kürzlich entschiedenen EuGH-Fall vom 13. Juli 2023, C-344/22, eine Gemeinde in Baden-Württemberg, die als staatlich anerkannter heilklimatischer Luftkurort gilt. Ihre Kurverwaltung ist körperschaftsteuerrechtlich ein Betrieb gewerblicher Art. Um die Kosten für die zur Kur und Erholung bereitgestellten Einrichtungen und Veranstaltungen zu decken, erhebt die Gemeinde eine Kurtaxe. 

Die Pflicht zur Zahlung der Kurtaxe trifft drei Gruppen: Erstens, ortsfremde Personen, die sich in der Gemeinde aufhalten und die Einrichtungen nutzen oder an Veranstaltungen teilnehmen können. Zweitens, Einwohner der Gemeinde, die den Lebensmittelpunkt in einer anderen Gemeinde haben. Drittens, ortsfremde Personen, die sich aus beruflichen Gründen in der Gemeinde aufhalten. Ausgenommen von dieser Abgabe sind Tagesgäste, sowie Personen, die in der Gemeinde arbeiten oder sich in Ausbildung befinden.

Die Kurtaxe wird unterschiedlich berechnet: Ortsfremde zahlen einen festen Betrag pro Tag, während kurtaxepflichtige Einwohner einen jährlichen Pauschalbetrag entrichten, der unabhängig von der Dauer und Häufigkeit des Aufenthalts fällig ist. Wer Personen gegen Entgelt beherbergt, einen Campingplatz betreibt oder eine Wohnung als Ferienwohnung anbietet, ist verpflichtet, diese Personen innerhalb von drei Tagen nach Ankunft bzw Abreise an- bzw abzumelden. Ebenso müssen Reiseunternehmen die Kurtaxe in ihrem Entgelt berücksichtigen und entsprechend melden.

Mit den Einnahmen aus der Kurtaxe finanzierte die Gemeinde von 2009 bis 2012 diverse Kureinrichtungen wie den Kurpark, das Kurhaus und diverse Wege. Diese Einrichtungen sind für jedermann frei zugänglich.

In den Umsatzsteuererklärungen für diese Jahre stufte die Gemeinde die Kurtaxe als Entgelt für umsatzsteuerpflichtige Tätigkeiten ein und beantragte daher den Abzug der Umsatzsteuer für alle damit verbundenen Eingangsleistungen. Dies wurde jedoch in einer Außenprüfung  teilweise zurückgewiesen und lediglich für entgeltliche Verpachtungen des Kurhauses zugelassen. Die Gemeinde erhob daraufhin Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg. Mit Urteil vom 18. Oktober 2018 wurde diese Klage abgewiesen. Das Gericht argumentierte, dass die Erhebung einer Kurtaxe keine unternehmerische Tätigkeit sei. Daher seien die Umsätze aus der Kurtaxe nicht umsatzsteuerbar.

Die Gemeinde hat gegen dieses Urteil Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt, der den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegte. Fraglich war im Wesentlichen, ob die Gemeinde eine wirtschaftliche Tätigkeit begründet.

Der EuGH hält einleitend fest, dass als “Steuerpflichtiger” gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt. Dabei wird als “wirtschaftliche Tätigkeit” unter anderem jede Tätigkeit eines Dienstleisters definiert. Maßgeblich ist, ob diese Dienstleistung gegen Entgelt erbracht wird. Laut EuGH sind hierfür folgende Umstände entscheidend:

  1. Ob es ein Rechtsverhältnis zwischen dem Leistenden (Gemeinde) und dem Leistungsempfänger (Besucher der Gemeinde) gibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden.

  2. Ob die von der Gemeinde erhobene Kurtaxe einen unmittelbaren Gegenwert für die zur Verfügung gestellten Kureinrichtungen darstellt.

Der EuGH kommt zu dem Schluss, dass damit keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie ausgeübt wird. Begründet wird dies damit, dass die Kurtaxe, die von den Besuchern der Gemeinde erhoben wird, nicht direkt mit der Nutzung der Kureinrichtungen verknüpft ist. Die Kurtaxe wird unabhängig davon erhoben, ob die Einrichtungen genutzt werden oder nicht. Zudem sind die Kureinrichtungen für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich, auch für Personen, die nicht kurtaxepflichtig sind. Insofern fehlt ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erhobenen Kurtaxe und der Bereitstellung der Kureinrichtungen, der für die Qualifizierung als “Dienstleistung gegen Entgelt” im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie notwendig wäre.

Das Ergebnis ist daher, dass die Bereitstellung von Kureinrichtungen durch eine Gemeinde unter den gegebenen Umständen keine „Dienstleistung gegen Entgelt“ und somit keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt.

Praxisfolgen

Die Entscheidung des EuGH ist konsequent und entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH. Während es in vielen Fällen Graubereiche gibt, ob eine Dienstleistung gegen Entgelt erbracht wird, argumentiert der EuGH im vorliegenden Fall überzeugend, dass ein unmittelbarer Zusammenhang nicht angenommen werden kann, wenn die Zahlung der Kurtaxe nicht mit der Nutzung der Kureinrichtungen, sondern mit dem Aufenthalt in der Gemeinde zusammenhängt. Die Folge ist, dass die Kurtaxe zwar nicht steuerpflichtig ist, Vorsteuern aus Eingangsleistungen aber auch nicht geltend gemacht werden können.