EuGH zur Möglichkeit einen Vertrag mit einer Rechnung gleichzustellen

Der EuGH hat in diesem Urteil entschieden, dass ein Finanzierungsleasingvertrag unter Umständen als Rechnung angesehen kann.

Die slowenische RED war Eigentümerin eines Grundstücks und eines Wohnhauses. Da sie in derselben Ortschaft Neubauten errichten wollte, schloss sie mit Raiffeisen Leasing einen Finanzierungsleasingvertrag (sale-and-lease back) ab. Raiffeisen Leasing kaufte das Grundstück zu einem bestimmten Preis und RED zahlte Raiffeisen Leasing die monatlichen Leasingraten bis zur vollständigen Rückzahlung des Grundstückswertes und der Gebäude. In diesem Vertrag wurde der Umsatzsteuerbetrag ausgewiesen.

Raiffeisen Leasing hat in weiterer Folge weder eine gesonderte Rechnung gestellt noch die Umsatzsteuer abgeführt. RED machte hingegen auf Grundlage des Finanzierungsleasingvertrags das Recht auf Vorsteuerabzug geltend, da sie der Auffassung war, dass es sich bei dem Vertrag um eine Rechnung handle.

Die slowenische Steuerbehörde versagte den Vorsteuerabzug, da der Umsatz steuerfrei sei und beide Parteien keine Steuererklärung vorgelegt hätten, die eine optionale Besteuerung ermöglichen würde. Unabhängig davon, ob überhaupt eine Rechnung ausgestellt worden sei, wäre in dieser somit eine nicht geschuldete Mehrwertsteuer ausgewiesen worden. Ein Recht auf Vorsteuerabzug würde daher jedenfalls nicht zustehen. Der Sachverhalt wurde daraufhin dem EuGH vorgelegt.

Der EuGH hält einerseits fest, dass eine in einer Rechnung zu Unrecht ausgewiesene Mehrwertsteuer gem Art. 203 der MWStRL vom Aussteller dieser Rechnung geschuldet wird. Andererseits kann die Steuerverwaltung das Recht auf Vorsteuerabzug nicht allein deshalb verweigern, weil eine Rechnung nicht die in Art. 226 der MWStRL aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Das Vorliegen und die ordnungsgemäße Ausstellung einer Rechnung ist jedoch nicht automatisch an das Recht auf Vorsteuerabzug gekoppelt: Erstens ist dieses Recht grundsätzlich an die tatsächliche Bewirkung einer Leistung geknüpft. Zweitens erstreckt sich die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht auf eine Steuer, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in einer Rechnung ausgewiesen ist.

Das Ziel von Art. 203 der MWStRL besteht jedoch darin, die Gefährdung des Steueraufkommens zu beseitigen. Diese Gefährdung lässt sich allerdings vermeiden, wenn die Steuerverwaltung über die Angaben verfügt, die erforderlich sind, um festzustellen, ob die materiellen Voraussetzungen für das Recht auf Vorsteuerabzug erfüllt sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Mehrwertsteuer in einem als „Rechnung“ bezeichneten Dokument oder, wie in diesem Fall, einem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag, ausgewiesen wurde.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, im Kontext sämtlicher im Ausgangsverfahren in Rede stehender Umstände und insbesondere sämtlicher Bestimmungen des Finanzierungsleasingvertrags zu beurteilen, ob dieser Vertrag tatsächlich die Angaben enthält, die im konkreten Fall erforderlich sind, damit die Steuerverwaltung feststellen kann, ob die materiellen Voraussetzungen für das Recht auf Vorsteuerabzug erfüllt sind.

Praxisfolgen

Der EuGH betont mit diesem Urteil, dass ein Vertrag sehr wohl auch als Rechnung dienen kann, wenn die Steuerverwaltung dadurch prüfen kann, ob alle materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erfüllt sind. Dies ist einerseits zu begrüßen, da es eine weitere Möglichkeit eröffnet, den Vorsteuerabzug wahrzunehmen, auch wenn ein Leistungsempfänger nicht im Besitz einer (formgerechten) Rechnung ist.

Andererseits ist aber auch Vorsicht geboten: Wird in einem Vertrag, der als Rechnung zu qualifizieren ist, auch Umsatzsteuer ausgewiesen, die gar nicht geschuldet wird, kann dies eine Steuerschuld kraft Rechnungsstellung zur Folge haben. Dies betrifft zB steuerfreie Umsätzen, aber auch nicht steuerbare Umsätze. Letzteres ist gerade bei sale-and-lease-back Konstruktionen relevant, da dies üblicherweise umsatzsteuerrechtlich unbeachtliche Vorgänge sind, da es zu keiner Übertragung der Verfügungsmacht kommt.

Dies eröffneten wiederum eine Reihe von Folgefragen, zB wer als Aussteller des Vertrages anzusehen ist, der die Steuer kraft Rechnungsstellung schuldet? Was ist, wenn bestimmte Rechnungsmerkmale im Vertrag fehlen?

In der Praxis ist daher zu beachten, dass es nicht zu einer ungewollten Steuerschuld kraft Rechnungsstellung kommt, wenn ein Vertrag aufgesetzt wird und dieser als Rechnung angesehen werden kann.