EuGH zur Erbringung von Nachweisen bei steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen

Der EuGH hatte kürzlich in einem Rechtsstreit zwischen der B2 Energy, einer tschechischen Gesellschaft und der tschechischen Finanzverwaltung zu entscheiden, ob Lieferungen der B2 Energy nach Polen von der Mehrwertsteuer zu befreien sind.

Bei einer Steuerprüfung kam die Steuerbehörde zum Schluss, dass die Klägerin (B2 Energy) es verabsäumt hatte, die Erfüllung der Bedingungen für die Inanspruchnahme der Mehrwertsteuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen nachzuweisen. Betroffen waren Lieferungen von Rapsöl in einen anderen Mitgliedstaat der EU im Jahr 2015 (somit vor Einführung der “Quick Fixes”).

Die Steuerbehörde bezweifelte nicht, dass der Transport der Waren in einen anderen Mitgliedstaat tatsächlich stattgefunden hatte. Sie war jedoch der Ansicht, dass die Klägerin nicht dokumentiert hatte, dass Verfügungsmacht an den Gegenstände an die in den Unterlagen angeführten Steuerpflichtigen übertragen wurde. Die CMR Frachtbriefe wurden nämlich von einer Partei unterfertigt und gestempelt, die nicht als Warenempfängerin angeführt wurde. Somit erfüllte die Klägerin nach Auffassung der tschechischen Steuerbehörde Bedingungen für den Anspruch auf Steuerbefreiung nicht.  Die Steuerbehörden setzten daher die Mehrwertsteuer fest.

Der EuGH verweist zunächst auf Artikel 138 Abs 1 der MwStSystRL welcher unter anderem die Anforderung umfasst, dass die Lieferung an einen steuerpflichtigen Empfänger erfolgen muss, der in einem anderen Mitgliedstaat als solcher handelt. Nach Auffassung des EuGH gibt es nur zwei Fälle, in denen die Nichteinhaltung einer formellen Anforderung den Verlust des Rechts auf Mehrwertsteuerbefreiung nach sich ziehen kann: Die Beteiligung an Steuerhinterziehung oder wenn der sichere Nachweis verhindert wird, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt werden.

Selbst wenn die Identität des Käufers nicht festgestellt werden kann, können die materiellen Bedingungen für die Anwendung einer Mehrwertsteuerbefreiung dennoch erfüllt sein, wenn die Steuerbehörden auf der Grundlage der verfügbaren Fakten überprüfen können, dass der tatsächliche Empfänger als Steuerpflichtiger iSd MwStSystRL zu qualifizieren ist. Die Steuerbefreiung ist daher nur dann zu versagen, wenn der Unternehmer nicht nachgewiesen hat, dass die Gegenstände an einen in dem anderen Mitgliedstaat steuerpflichtigen Empfänger geliefert wurden, und – unter Berücksichtigung des Sachverhalts und der vom Lieferer vorgelegten Nachweise – die für die Überprüfung der Steuerpflichtigkeit des Empfängers erforderlichen Informationen fehlen.

Praxisfolgen

Das EuGH-Urteil fügt sich nahtlos in die bisherige Rechtsprechung des EuGH zu diesem Themengebiet ein, wonach die Verletzung bestimmter formeller Nachweise nicht automatisch dazu führt, dass die Steuerbefreiung versagt wird, wenn auf Grund objektiver Umstände feststeht, dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind. In diesem Fall heißt das, dass zwar nachgewiesen wurde, dass der tatsächliche Empfänger tatsächlich ein Steuerpflichtiger ist, auch wenn im (formellen) Nachweis (dem CMR-Frachtbrief) ein anderer Steuerpflichtiger den Empfang der Waren bestätigt hat. Der Nachweis ist jedoch ungleich schwieriger zu führen, als die Erfüllung der formellen Anforderungen.

Zu beachten ist außerdem, dass die Bekanntgabe der UID-Nummer des Empfängers seit 2020 materiell-rechtliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ist. Es sollte in der Praxis auf eine ausreichende und konsistente Dokumentation geachtet werden, um den Versand in einen anderen Mitgliedstaat durch oder im Auftrag des Lieferanten oder Käufers nachzuweisen. Außerdem ist es ratsam, regelmäßige Überprüfungen durchzuführen, um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung jederzeit erfüllt sind.